Die Kunst der kindlichen Langsamkeit

Zum Glück bin ich ein Mann! Warum? Anders als meine Frau muss ich mich weder den Kindervergleichswettbewerben noch dem Wettrennen um die beste Mutter stellen. Unsere Kinder sind vergleichsweise „groß“, dennoch bekommt man als Eltern einiges aus „konkurrierenden“ Familien mit und besonders zur Zeit des Mutter- und Vatertages.

Zum Muttertag kursierten bei Facebook zahlreiche Statusmeldungen stolzer Mütter, was ihre Kinder Ihnen geschenkt haben. Ich lege weder auf Mutter- noch auf Vatertag wert. Als Eltern schulpflichtiger Kinder oder Kindern in Kitas kommt man um Selbstgebasteltes oder andere kleine Aufmerksamkeiten nicht drumherum und natürlich freut man sich. Was ich allerdings dieses Jahr gesehen habe schockiert mich als Münchner in gewisser Weise.

Da kursieren Fotos mit selbstgemachten Leckereien in Gläsern, Konfitüren, Pesto, eingelegte Früchte usw., beschriftet in feinster Handschrift, begleitet von kleinen Gedichten und Basteleien. Garniert werden diese Fotos mit Lügen: „Hat mein 2-jähriges Kind ganz allein zubereitet, ganz ohne Hilfe, und auch der Zettel ist von Hand geschrieben, leider etwas in Schmierschrift.“ Dass darauf ungläubige, staunende Kommentare folgen, ist absehbar. Die Begründung, warum das ein 2jähriges Kind bereits so kann (entgegen aller motorischen Entwicklungsschritte der Menschheit!), verblüfft: „In München ist die frühkindliche Förderung sehr gut.“ Ein Schelm, wer da Fishing for Compliments zur Selbstprofilierung vermutet…

Ich habe meine Kinder übrigens nicht mit einem Jahr in einem Chinesischkurs angemeldet. Klar wäre es toll, wenn sie später einen gut bezahlten Job haben, sozial angesehen sind und mit der sich rasant entwickelnden Wirtschaftswelt gut arrangieren. Aber ich habe keine Erwartungshaltung an meine Kinder, außer dass sie anständige aber vor allem glückliche Menschen sind. Mit einem Jahr haben wir gespielt, sind durch den Matsch im Garten gekrabbelt, haben zusammen gelacht, in Kauderwelsch gebrabbelt und gemeinsam die Umwelt in kindlicher Langsamkeit erkundet. Die „Slomo“ tat uns als Familie gut, auch nachhaltig.

Übrigens können meine Kinder heute beide schreiben. Selbst der Kleine in der Kita kritzelt schon Buchstaben, wenn auch weit entfernt von der geschwungenen Schreibschrift jener 2-Jährigen.

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