öffentlich-rechtliches Radio sendet an Zielgruppe und an mir vorbei

Gestern habe ich in der Süddeutschen Zeitung einen Artikel über die Jugendradioprogramme der öffentlich-rechtlichen gelesen. Tenor war, dass „diese an der Zielgruppe vorbei senden“ (zum Artikel).

Dazu kann ich nur sagen, nicht nur die! Auch viele andere öffentlich-rechtliche Radioprogramme sind einfach nur zum ausschalten. In meinem bisherigen Berufsleben habe ich mich schwerpunktmäßig in drei Bundesländern bewegt: NRW, Hessen und Bayern.

In NRW macht der WDR das noch mit Abstand am besten. WDR 2 hat einen guten Mix aus redaktionellen Inhalten und gerade noch hörbarer Musik. Die Musik ist natürlich schon dem breiten Publikum entsprechend, dabei aber selten beliebig. Bei den redaktionellen Inhalten profitiert das Radioprogramm einfach von der starken Infrastruktur des WDR. Diverse Außenreporter und Studiogäste heben die Sendungen auf ein unterhaltsames Niveau. 1live richtet sich primär an jüngere Hörer, weil aber nicht so schrill wie andere, kann der Sender auch von über 30jährigen ohne Ohrenschmerz gehört werden.

Letzteres geht dem Hessischen Rundfunk (hr) komplett ab. Wer das Pech hat und in dem Sendebereich wohnt und keine digitalen Alternativen z.B. im Auto besitzt, der kann einem Leid tun. Fast unhörbar ist zum Beispiel der Sender hr3. In meiner Jugend in den 80er und 90er Jahren habe ich noch sehnsuchtsvoll nach Hessen geblickt, wo deren Hörer regelmäßig der h33-Clubnacht mit angesagten DJs aus Frankfurt lauschen konnten. Im WDR gab es in den 80ern nur Mal Sondocks Hitparade. Von der alten Sehnsucht ist leider nichts mehr übrig geblieben. Redaktionelle Beiträge, die diesen Namen Wert sind, gibt es kaum. Die Musikredaktion scheint sich nahe dem Renteneintritt zu bewegen – komplett unambitioniert (Link zur aktuellen Playlist). Krass ist die Out-of-Home Werbung für hr3, die einem im Sendegebiet häufig an Lifasssäulen begegnet: da ist dann ein Typ zu sehen, der frühmorgens im Bad total ausflippt, weil die Musik so unglaublich geil ist. Tatsächlich läuft dann „We Don’t Need Another Hero“ von Tina Turner oder „Boys of Summer“ von Don Henley. hr1, also das Gegenstück zu WDR2, hat zwar immerhin etwas gehobenere redaktionelle Beiträge, ist dafür aber komplett musikbefreit – zumindest von hörbarer.

Jetzt in Bayern angekommen, macht Radiohören endlich wieder Spaß! Zwar immer noch nicht im öffentlich-rechtlichen (zwar etwas besser als der hr), dafür aber im Privatfunk. Der Sender heisst egoFM – für Musikentdecker. Die Musikauswahl ist wirklich top und weit weg von dem, was die findigen Musiklabels normalerweise den Mainstreamsendern aufs Auge drücken. Wo Licht ist, muss normalerweise auch Schatten sein. Normalerweise bei den Privaten in Form von nervigen Jingles und aufgringlichen Werbeblöcken. Nicht so bei egoFM, hier kommt kaum Werbung und wenn nur kurz. Keine Ahnung, wie die sich finanzieren. Kann jedem empfehlen, hier mal reinzuhören (aktuelle Playlist).

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